Samstag, 18. August 2012

Das Leben in TL, mit unseren noch frischen Augen


  • Hau hamlaha, hau hakarak haan! (Ich habe Hunger, ich will essen)
  • Ita gosta saida? (Was magst Du?)
  • Hau la gosta naan, hau gosta etu ho modo (Ich mag kein Fleisch, ich mag Reis und Gemüse)
(Tetun wird zum großen Teil so ausgesprochen wie es geschrieben wird)

Inzwischen sind wir zwei Wochen im Lande und sind beim Sprachkurs über die „Ich heisse …. - Wie heisst Du?“ - Phase hinaus. Wir können uns in ganzen Sätzen mit „und“ und „oder“ artikulieren und unseren Sprachlehrern auf Tetun antworten und uns gegenseitig nach unseren Essenvorlieben oder unserem Herkunftsland ausfragen. Auf der Straße ist die Sache eine andere, hier wird schneller und weniger klar gesprochen – ein Problem, das wohl alle schon durchgemacht haben, die eine neue Sprache gelernt haben.

Wie es uns geht? Wir fühlen uns wohl! Wir sind, wie wir inzwischen herausgefunden haben, in der kältesten Jahreszeit angekommen. Das Wetter entspricht im Moment in Temperatur und Lufteuchtigkeit einem guten deutschen Sommer. Dili (die Hauptstadt von Timor-Leste) ist weit weniger chaotisch, schmutzig und gefährlich, wie einige Vorabinformationen glauben ließen. Der Verkehr fließt mit gemächlichen 30 km/h vor sich hin, was angesichts des Zustands mancher Autos und der angenommenen Bremsanlagen auch eine gute Idee ist. Wir haben glücklicherweise einen Motorroller geliehen bekommen, und bewegen uns im Verkehr, der ungefähr einer Schafherde auf der Flucht ähnelt, genauso agierend und auf die umgebenden Fahrer reagierend wie die Timoresen selbst.

Aktuell leben wir immer noch im Hotel. Die Wohnungs-/Haussuche ist im Gange, und wir bekommen von allen Seiten Tips und Telefonnummern. Das ist das Gute an einer großen internationalen Community, wie es sie in Dili aktuell noch gibt. Ungefähr jeder „International“, den/die wir fragen kennt jemanden, der gerade auszieht, oder ein Haus besitzt, oder in den nächsten Monaten das Land verlassen wird. Viele Wohnungen befinden sich allerdings in sogenannten „Compounds“, das heisst mit hohen Mauern (4m+) abgeriegelte kleine Welten, die Häuser und Apartements im europäischen Standard mit full service anbieten.
Leider hat die internationale Gemeinschaft, die seit über zehn Jahren in Dili wohnt und arbeitet, die Wohnpreise im Allgemeinen in absolut unangemessene Höhen getrieben. Zwischen 2000 und 3500 Dollar (sic!) pro Monat sind nicht ungewöhnlich.. Viele Angebote muss man einfach direkt ablehnen, auf Grund der überzogenen Erwartungen lassen sich Vermieter auf kein Verhandeln ein. Compounds werden außerdem unter dem Argument „mehr Sicherheit“ angepriesen, allerdings gibt es gar keinen Anlass, über das auf der ganzen Welt gebotene Maß an Vorsicht hinaus aktiv zu werden. Mehrere langjährige Bewohner Timor-Lestes haben uns unabhängig voneinander versichert, dass es für Unruhen keinen Grund mehr gibt und zudem Ausländer nie das Ziel von Angriffen waren. Wir suchen daher weiter mit gutem Gefühl nach einer Bleibe in einer timoresischen Nachbarschaft.

Nachdem man sich ein paar Tage in Dili bewegt hat, einkaufen war, nach Essensmöglichkeiten gesucht hat, etc. wird einem klar, dass die Hauptstadt eine Blase ist, die nicht wirklich Timor-Leste entspricht. Ständig fahren UN-Fahrzeuge vorbei, es gibt sehr viele Restaurants, die auf den westlichen Geschmack und Geldbeutel ausgelegt sind und man merkt, dass das Leben hier in den letzten Jahren stark durch den westlichen Lebensstil beeinflusst wurde. Zudem muss man schon mit wachen Augen durch die Stadt gehen um das Land als eines der Ärmsten in Asien wahrzunehmen. Leider haben wir den Weg aus der Stadt noch nicht geschafft, daher wird am kommenden Wochenende der erste Ausflug nach Baucau führen, die zweitgrößste Stadt des Landes, und doch ungleich kleiner und deutlich weniger durch westlichen Einfluss geprägt. Dann wird uns hoffentlich noch einmal bewusster werden, in welch anderen Welt wir uns hier bewegen. Bisher war alles sehr einfach … zu einfach.

Soviel grob zu unserem aktuellen Status. Was Timor-Leste bisher für uns ausmacht ist die große Freundlichkeit der Menschen. Schon unsere ersten Sprachversuche sorgten für Amüsiertheit und gleichzeitig große Begeisterung. Das  Gemeinschaftsgefühl ist hier sehr wichtig, und die europäische Distanziertheit ist oft fehl am Platz. Beispiel gefällig? Als ich am dritten Tag im Laden der TimorTelecom war um SIM-Karten zu besorgen hielt ich natürlicherweise den Abstand von ungefähr einem halben Meter zu den vor mir stehenden Leuten am Schalter ein. Timoresen interpretieren dies aber nicht als „Anstehen“ sondern als uninteressiertes Herumstehen. Folglich stellten sich ständig Leute „vor mich“, die einfach die leeren Lücken auffüllten. Man wird auch auf dem Markt nicht bedient werden, wenn man nicht durch Stehen direkt am Stand deutlich macht, dass man am Kauf der Produkte interessiert ist. Dieses Gemeinschaftsgefühl drückt sich auch darin aus, dass völlig Fremde bei erstem Kontakt als „Bruder“/“Schwester“ respektive „Onkel“/“Tante“ angesprochen werden, und nur ausgesprochene Respektspersonen als „Senyor“/“Senyora“ betitelt werden.

In diesem Sinne, Brüder, Schwestern, Onkel und Tanten:
Liebe Grüße von mana Pia und maun Holger

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