Montag, 24. September 2012

Bonoiti hotu hotu (= Hallo / Guten Abend an alle)




Bei uns klingt gerade das Wochenende aus und jetzt habe ich die Muse ein paar meiner Eindruecke aufzuschreiben um sie morgen an Euch zu schicken.
Wir geniessen momentan vor allem unser Haeuschen, Platz, Gestaltungsmoeglichkeit, Ruhe und Improvisation (siehe Foto). Die wichtigsten Moebel und Gegenstaende zum Leben wie Bett, Pfanne, Stuehle, etc. sind da, die meisten Moebel werden wir jetzt nach und nach sammeln. Ein guter Start war der Kauf von 6 Stuehlen aus Indien von einer Kollegin, die bald nach Deutschland zurueck kehrt. Letzte Woche haben wir eine kleine “House-warming-Party” gemacht, beim Tetumkurs haben wir zwei nette Koreaner und zwei nette Neuseelaender kennen gelernt und ein paar meiner Kollegen+Freunde+Freunde von Freunden waren da. Das australische Feste-feiern-Prinzip “Bring a Plate”-Jeder bringt etwas zu essen mit, hat dabei fuer einen guten Mix an Koestlichkeiten gesorgt. Langsam faengt auch der erste Kontakt zu den Nachbarn an, wir wurden heute eingeladen jederzeit zum Tetum ueben vorbei zu kommen. Sowas freut mich, denn der erste Eindruck von Dili zeigt, dass es eher einfach ist Kontakt zu “Internationals”, die auch in Timor arbeiten, zu bekommen, als zu Timoresen. In den Restaurants und Cafes, in denen Malae (Auslaender) sich treffen, findet man eher selten Timoresen, da die Preise budgetmaessig fuer die meisten Timoresen nicht erschwinglich ist. Nachbarschaft ist also ein toller Anknuepfungspunkt fuer Kontake. Laangsam bessern sich auch meine Sprachkenntnisse. Klar ist es muehsam, aber ich merke schon kleine Fortschritte. Es scheint machbar zu sein.
Vor zwei Wochen haben wir mit einer Kollegin ein Sonntagstourchen gemacht und haben uns die Nachbarstaedte von Dili in den Bergen angeschaut. Die meiste Zeit hatte man eine grandiose Aussicht auf die huegelige mit Baeumen, Palmen und Bambus uebersaehte, momentan sehr trockene Landschaft, die Regenzeit beginnt im November. Verblueffend schoen war das Tal, das Ihr auf dem Foto sehen koennt. Unterwegs haben wir mehrfach Kaffee gesehen, der hier in vielen Regionen waechst und oft auf der Strasse getrocknet wird. Zudem haben wir uns zwei Jugendzentrum aus meinem Projekt angeschaut die auf dem Weg lagen.
Die letzten Wochen hatte ich im Projekt immer wieder die Gelegenheit mir einige Projekte anzuschauen, u.a. war ich in einem Jugendzentrum namens “Oasis” in Baucau, dort starten gerade neue Jugendgruppen (Journalismus, Englisch, PC-Kurs, Movie Club, etc), in der Szene auf dem Foto erklaert meine Kollegin gerade den Jugendgruppenleitern die Abrechnungsprozedur der Projektmittel. Ich habe davon ca. 2 Prozent auf Tetum verstanden… Anfang der Woche war ich bei der Chega-Exhibition. Diese Ausstellung beschaeftigt sich mit der Geschichte von Timor und den Menschenrechtsverletzungen in der indonesischen Besatzungszeit. Damit die Themen fuer Kinder und Jugendliche zugaenglicher sind, wurden daraus Comicbuecher entwickelt, eine grandiose Idee, wie ich finde. Momentan gibt es eine Wanderausstellung, so dass auch die Menschen in den Distrikten erreicht werden und das war bei der Eroeffnung solch einer Wanderausstellung.
Eine weitere spannende Sache diese Woche war das “Action Asia Peacebuilder-Forum”, in dem Teilnehmer aus ganz Asien zusammen gekommen sind, von Nepal, ueber China, Kambodscha, Bangladesh, bis hin zu, natuerlich, vielen Teilnehmern aus Timor-Leste. Der bunte Mix an Leuten war toll und es wurden verschiedene Projekte vorgestellt und diskutiert. Am Freitag gab es eine Rede von Jose Ramos Horta, dem ehemaligen Praesidenten und Friedensnobelpreistrager von Timor. Seine Hauptthesen waren, dass Asien eine gemeinsame Union braucht so wie Europa oder Afrika und sich dem Thema Klimawandel zuwenden muss und zwar in einer konstruktiven Art und Weise, anstatt mit gegenseitigen Beschuldigungen zu arbeiten. Zu Timor hat er besonders die Bildung erwaehnt, dass zwar nun viele Schulen gut ausgestattet sind, aber die Qualitaet der Bildung ein grosses Problem ist. Auf das Thema “Staatshaushalt”, der zu 95 Prozent aus Oeleinnahmen besteht (!), ist er nicht eingegangen. 

So Ihr Lieben, viele Gruesse aus Timor, lasst von Euch hoeren und lassts Euch gut gehen! Bis bald, Pia
Jugendzentrum in Aileu, Pia, Holger, deutsche Kollegin

Tal in den Bergen, ca. 40 Kilometer von Dili entfernt

Kaffee, der auf der Strasse getrocknet wird

Jugendleiter im Jugendzentrum in Baucau

Comics der CHEGA exhibition

Krokodil auf der Chega exhibition

Buntes Publikum auf der Peacebuilder Konferenz

Jose Ramos Horta

So sieht das Jugendzentrum in Liquica aus...

Improvisierte Wohnsituation

Montag, 17. September 2012

home sweet home

Unser Garten (1)

Wasserversorgung

Erste Früchte

Unser Haus

Donnerstag, 6. September 2012

Englischer Artikel zum aktuellen Status von Timor-Leste

Rätsel

Quiz-Frage: Was ist das?
(Antworten durch Klick auf "Kommentare" eingeben oder als E-Mail an Holger)

Sprache

4 Wochen Sprachkurs sind vorbei (Montag bis Freitag, jeweils 4 Stunden), 30 Kapitel durchgerockt, Vokabeln, Floskeln, ein bisschen Kulturtraining nebenbei. Zwar habe ich immer noch nicht verstanden, wie der Cousin des angeheirateten Schwagers meiner Großmutter heißen würde, aber klar geworden ist: Er gehört zur Familie, und ist daher zu jedem Fest einzuladen. Und Feste gibt es viele, so war mir als Protestant zum Beispiel völlig neu, dass man den Tod eines Menschen dreimal feiern kann. In den ersten Tagen nach seinem Tod, wenn zwei Wochen vorbei sind und nochmal, wenn ein Jahr vorbei ist.

Aber ich schweife ab: Ich kann mich inzwischen gut verständigen, ohne diesen Ausdruck völligen Unverständnisses auf dem Gesicht meines Gegenüber. Mitunter kommen Vokabeln durcheinander, so machte ich neulich mit großem Ernst ein paar timoresischen Bekannten klar, dass meine Tür und ich ein Haus gefunden haben. Natürlich wollte ich eigentlich auf meine Freundin verweisen, leider kamen 'odamantan' und 'namurada' durcheinander. Kann ja mal passieren!

Hier kommen aber schon ein wenig die Tücken der Sprache durch: Im Deutschen herrscht ein Übergewicht an Konsonanten, das darf man glaube ich so behaupten. Im Timoresischen ("Tetun") herrscht vollkomenes Gleichgewicht. Daher gilt es zwischen Worten wie hasoru (jmd. treffen), hanorin (lehren), hadomi (mögen, bemitleiden), hafuhu (beobachten), etc.  zu unterscheiden. Ich weiss nicht, wie es Euch geht, mir fällt es manchmal schwer.

Glücklicherweise ist die Grammatik relativ überschaubar, und wird nur durch unzählige Ausnahmen des täglichen Sprachgebrauchs komplex gemacht. Generell wird man schon nach dem Schema Ich - müssen - gehen - Haus verstanden (=Ich muss nach Hause gehen), denn Verben werden nicht dekliniert. Höflichkeit wird nicht durch komplizierte Floskeln ausgedrückt, sondern man sagt einfach Ich - will - Reis. Besitzverhältnisse werden, dem Schwäbischen ähnlich, ausgedrückt durch "Fritz nia paun" (dem Fritz sei Brot). Das verlängert schon einfache Satzgebilde im Stil von "Mein Buch liegt auf meinem Tisch" zu 'hau nia livru tau iha hau nia meza leten'

Ein ganzer Satz (aus unserem Lehrbuch, Kapitel 'diligent or lazy?') hört sich übrigens so an: "Iha senyora nia oin, nia badinas loos, maibee senyora la iha tiha, nia halimar barak. Hau hakaas-an atu kompriende, maibee ohin loron demais liu ona!" (In front of you he's very hard working, but when you are no longer there, he mainly plays around. I try hard to be understanding, but today it just got too much!)


In diesem Sinne, Euch ein schönes Wochenende!
Euer Holger

Montag, 3. September 2012

Baucau

Grinsender Junge im Mikrolet
Bus auf dem Weg von Baucua nach Dili

Holger und Mana Rosa beim Abendessen, Reis mit Gemuese und Huehnchen

Muuuuueeeeeeeeeedeee!

Kinder beim Baden/Duschen mitten in Baucau


Ruheplatz in Baucau

 Auf dem Weg durch Baucau

Impressionen aus Baucau 2

Tais aus dem "Oasis"-Jugendzentrum in Baucau

Dili Beach Road


Eine Fahrt entlang der "Avenida de Portugal", oder oft auch einfach "Beach Road".
Was man übrigens bei aller Idylle nicht sieht: Aus den Wohnvierteln rechts der Straße werden Abwässer an dieser Stelle ins Meer geleitet, was man zwar nicht riecht, mich aber dennoch vom Baden abhält. Die Fische, die verkauft und gebraten werden, kommen hingegen aus dem offenen Meer und sind daher nicht fäkalisiert.
Viel Spaß beim Schauen :-)
Holger

Sonntag, 2. September 2012

Baucau



Letztes Wochenende sind wir mit grosser Neugierde nach Baucau gefahren, unsere erste Exkursion aus Dili heraus. Baucau ist die zweitgroesste Stadt von Timor-Leste und liegt wie Dili an der Nordküste, 130 Kilometer östlich von Dili. Dort befindet sich eins der von Pia betreuten Jugendzentren und zwei für mich interessante Projekte.
Der Weg dahin ist in zweierlei Hinsicht atemberaubend. Zum einen ist die asphaltierte Straße mit so vielen Schlaglöchern übersäht, dass die Frequenz einer Morsenachricht gleicht. Zum anderen fährt man an der Küste entlang, die wunderschöne Buchten, Mangrovenwälder und Wasser in azurblau wie aus dem Reiseprospekt bietet. Die Route führt auch durch verschiedene Höhenzonen, daher durchfährt man Landschaften von niedrigem Buschland, weitläufigen Reisfeldern und Wäldern aus Palmen, Bananenstauden, Bambus und vielem anderen, das ich leider nicht einordnen kann. Einige Male haben wir sehr breite, fast trocken liegende Flussbette überquert. Deren Dimensionen lassen erahnen, was in der Regenzeit zu erwarten ist. Vielerorts werden am Straßenrand unter Palmendächern kleine Päckchen mit Süssigkeiten oder Wasser in versiegelten Bechern verkauft.
Bis auf wenige Ausnahmen sind die Menschen sehr freundlich, winken oder schauen interessiert. Das überrascht ein wenig, da sich jeder Fahrer durch Hupen ankündigt und die Menschen davon eigentlich schon genervt sein sollten. Vielleicht aber auch alles Gewohnheitssache. Ein kleiner Junge stand an einer sehr sandigen, unasphaltierten Stelle, die zum Langsamfahren nötigte, und wollte von allen Vorbeifahrenden etwas Geld kassieren. Diejenigen, die nichts gaben wurden ausgiebig und mit Nachdruck beschimpft. Jugendliche versuchen oft mit einem „Hey Mister“ im Vorbeigehen oder -fahren etwas Aufmerksamkeit zu erregen.
Nach etwa dreieinhalb Stunden haben wir Baucau erreicht und fahren direkt zum youth club. Ich teste kurz das Internet, das erstaunlicherweise ziemlich fix läuft. Nur die Verbindung zu E-Mail – Providern läuft über eine Zwischenstation namens opendns, der ich mein Passwort dann doch nicht anvertrauen möchte. Also keine E-Mails abfragen…
Uns wurde von vielen Seiten angekündigt, dass es außerhalb von Dili ganz anders sein würde. Ich bin gespannt, was die nächsten beiden Tage bringen werden. Morgen steht ein Besuch bei Infotimor an, die ein „social business“ im IT-Bereich aufgebaut haben, d.h. aller erwirtschafteter Gewinn kommt den Beschäftigten zugute und geht direkt in deren Ausbildung. Außerdem werde ich eine Dame treffen, die hier in Baucau schon sehr lange Konfliktprävention betreibt.

Soviel von mir, Pia erzählt den zweiten Teil :-)
Holger


Wenn ihr mal in Timor seid… fahrt nach Baucau! Die Stadt zieht sich von einem Hang Richtung Meer hinunter; wenn man von oben auf Baucau schaut, muss man die Stadt suchen, denn ueberall stehen riesige Baeume, Palmen und Bananenstauden und die Daecher sind kaum zu entdecken. Hier wurde nicht die Natur der Stadt angepasst, sondern die Stadt hat sich der Natur angepasst. Am ersten Tag in Baucau hatte ich sowas wie einen “Natur”schock, etwas Vergleichbares habe ich noch nie gesehen. Sehr beeindruckend! Baucau hat eine merklich andere Atmosphaere als Dili. Waehrend man im dilianischen Alltag eher wenig Beachtung erhaelt  (es gibt einfach viele malae/Weisse in Dili), wurden wir in Baucau vielfach angegrinst, angewunken, gefragt wie es uns geht und wo wir hin gehen (in Timor die zwei ueblichsten Fragen zur Begruessung). Dabei konnten wir gut unsere ersten Brocken Tetum anwenden.
Freitags haben wir dem Jugendzentrum einen Besuch abgestattet, das ganze Haus ist gelb angestrichen und bemalt, sieht sehr nett aus (leider Foto vergessen…). Der Jugendzentrumsleiter ist sehr engagiert und hatte einige Projektantraege fuer seine Jugendgruppen vorbereitet, von Journalismus ueber Englischkurs bis hin zu einem Jugendcafe. Zum Abschied haben wir als Neulinge in Timor zwei Tais geschenkt bekommen (siehe Foto), die werden in Timor handgewebt. Abends waren wir dann mit Mana Rosa, meiner Kollegin essen; Rogerio, unser timoresischer Fahrer wollte nicht mitkommen und als wir bestuerzt zu Mana Rosa meinten wir koennten ihn gerne einladen (falls sein Budget nicht ausreicht), haben wir erfahren, dass er gerade einfach auf Diaet ist und abends nicht mehr viel essen moechte :-)
Samstags haben wir uns mit einer Frau getroffen, die bereits seit ueber sechs Jahren in Timor arbeitet und in Freiburg studiert hat, man konnte ganz nett ueber die Wiehre, das Rieselfeld, etc reden, was, wenn man am anderen Ende der Welt ist, eine besondere Qualitaet hat. Die Dame hat bei der Wahrheitskommision in Timor gearbeitet, diese hat sich sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen in der indonesischen Besatzungszeit befasst. Nun betreut sie eine Maedchenschule, in der verschiedene Kurse zur Berufsorientierung angeboten werden um eine erst berufliche Orientierung zu bieten und ueberhaupt auf das Model “arbeiten” neugierig zu machen und dafuer zu motivieren. Gerade auf dem Land ist die Rolle der Maedels stark auf werdende Mutter, Haushalt, etc. festgelegt und viele Bereiche  in Timor sind stark maennerdominiert, wie zum Beispiel musizieren. In der Schule koennen die Maedels also meist das erste Mal in ihrem Leben verschiedene Dinge ausprobieren, eine  Gitarre in die Hand nehmen,etc.
Ihr timoresischer Mann hat zwei Vereine gegruendet, eine kleine Klinik, die dringend notwendig in der Gegend ist, da die medizinische Versorgung bescheiden ist und eine Schule fuer Bauern, in der zukuenftig die Wartung von landwirtschaftlichen Maschinen thematisiert wird. Dort hat Holger in einer spontanen Aktion einen Computer umgebaut und angeschlossen und damit fuer Begeisterung gesorgt. Beeindruckend zu sehen war wie diese Projekte entstanden sind: In kleinen Schritten mit zum Teil sehr bescheidenen finanziellen Mitteln hat er die Projekte nach und nach aufgebaut. Er selbst hat sechsmal in seinem Leben sein Haus verloren, wahrscheinlich bringt das eine andere Hartnaeckigkeit, Geduld und Gelassenheit mit sich, als ich sie mir vorstellen kann.
Die zweite Organisation, die wir besucht haben, beschaeftigt sich mit IT, gibt, mit Schwerpunkt auf den laendlichen Distrikten,  Computerkurse und verkauft zu bezahlbaren Preisen “green PCs”, d.h. aus Australien importierte, gebrauchte PCs, die vor Ort getestet und mit einem kostenlosen Linux-Betriebssystem augestattet werden .
Den Rest des Tages sind wir durch Baucau gewandert und haben das Staedtchen auf uns wirken lassen. Baucau war einer der Hauptsitze der Portugiesen in der Kolonialzeit, davon sind heute ein paar zerfallene Gebaeude uebrig geblieben, die erahnen lassen, dass dort Portugiesen waren und: Ein saugeiles Schwimmbad! Mit Quellwasser gespeist, das frisch ins Schwimmbecken hineinfliesst, klares, weiches, kaltes Wasser, ein Traum! Neben drei Jungs, hatten wir das Schwimbecken fuer uns. Ein Paradies fuer das Schwimmerherz.
Heim sind wir per LKW/Bus gefahren, auf dem wir sehr freundlich begruesst wurden, haben uns den Wind um die Ohren wehen lassen und die Rueckfahrt genossen. 
Schoene Gruesse an alle! Pia