Sonntag, 2. September 2012

Baucau



Letztes Wochenende sind wir mit grosser Neugierde nach Baucau gefahren, unsere erste Exkursion aus Dili heraus. Baucau ist die zweitgroesste Stadt von Timor-Leste und liegt wie Dili an der Nordküste, 130 Kilometer östlich von Dili. Dort befindet sich eins der von Pia betreuten Jugendzentren und zwei für mich interessante Projekte.
Der Weg dahin ist in zweierlei Hinsicht atemberaubend. Zum einen ist die asphaltierte Straße mit so vielen Schlaglöchern übersäht, dass die Frequenz einer Morsenachricht gleicht. Zum anderen fährt man an der Küste entlang, die wunderschöne Buchten, Mangrovenwälder und Wasser in azurblau wie aus dem Reiseprospekt bietet. Die Route führt auch durch verschiedene Höhenzonen, daher durchfährt man Landschaften von niedrigem Buschland, weitläufigen Reisfeldern und Wäldern aus Palmen, Bananenstauden, Bambus und vielem anderen, das ich leider nicht einordnen kann. Einige Male haben wir sehr breite, fast trocken liegende Flussbette überquert. Deren Dimensionen lassen erahnen, was in der Regenzeit zu erwarten ist. Vielerorts werden am Straßenrand unter Palmendächern kleine Päckchen mit Süssigkeiten oder Wasser in versiegelten Bechern verkauft.
Bis auf wenige Ausnahmen sind die Menschen sehr freundlich, winken oder schauen interessiert. Das überrascht ein wenig, da sich jeder Fahrer durch Hupen ankündigt und die Menschen davon eigentlich schon genervt sein sollten. Vielleicht aber auch alles Gewohnheitssache. Ein kleiner Junge stand an einer sehr sandigen, unasphaltierten Stelle, die zum Langsamfahren nötigte, und wollte von allen Vorbeifahrenden etwas Geld kassieren. Diejenigen, die nichts gaben wurden ausgiebig und mit Nachdruck beschimpft. Jugendliche versuchen oft mit einem „Hey Mister“ im Vorbeigehen oder -fahren etwas Aufmerksamkeit zu erregen.
Nach etwa dreieinhalb Stunden haben wir Baucau erreicht und fahren direkt zum youth club. Ich teste kurz das Internet, das erstaunlicherweise ziemlich fix läuft. Nur die Verbindung zu E-Mail – Providern läuft über eine Zwischenstation namens opendns, der ich mein Passwort dann doch nicht anvertrauen möchte. Also keine E-Mails abfragen…
Uns wurde von vielen Seiten angekündigt, dass es außerhalb von Dili ganz anders sein würde. Ich bin gespannt, was die nächsten beiden Tage bringen werden. Morgen steht ein Besuch bei Infotimor an, die ein „social business“ im IT-Bereich aufgebaut haben, d.h. aller erwirtschafteter Gewinn kommt den Beschäftigten zugute und geht direkt in deren Ausbildung. Außerdem werde ich eine Dame treffen, die hier in Baucau schon sehr lange Konfliktprävention betreibt.

Soviel von mir, Pia erzählt den zweiten Teil :-)
Holger


Wenn ihr mal in Timor seid… fahrt nach Baucau! Die Stadt zieht sich von einem Hang Richtung Meer hinunter; wenn man von oben auf Baucau schaut, muss man die Stadt suchen, denn ueberall stehen riesige Baeume, Palmen und Bananenstauden und die Daecher sind kaum zu entdecken. Hier wurde nicht die Natur der Stadt angepasst, sondern die Stadt hat sich der Natur angepasst. Am ersten Tag in Baucau hatte ich sowas wie einen “Natur”schock, etwas Vergleichbares habe ich noch nie gesehen. Sehr beeindruckend! Baucau hat eine merklich andere Atmosphaere als Dili. Waehrend man im dilianischen Alltag eher wenig Beachtung erhaelt  (es gibt einfach viele malae/Weisse in Dili), wurden wir in Baucau vielfach angegrinst, angewunken, gefragt wie es uns geht und wo wir hin gehen (in Timor die zwei ueblichsten Fragen zur Begruessung). Dabei konnten wir gut unsere ersten Brocken Tetum anwenden.
Freitags haben wir dem Jugendzentrum einen Besuch abgestattet, das ganze Haus ist gelb angestrichen und bemalt, sieht sehr nett aus (leider Foto vergessen…). Der Jugendzentrumsleiter ist sehr engagiert und hatte einige Projektantraege fuer seine Jugendgruppen vorbereitet, von Journalismus ueber Englischkurs bis hin zu einem Jugendcafe. Zum Abschied haben wir als Neulinge in Timor zwei Tais geschenkt bekommen (siehe Foto), die werden in Timor handgewebt. Abends waren wir dann mit Mana Rosa, meiner Kollegin essen; Rogerio, unser timoresischer Fahrer wollte nicht mitkommen und als wir bestuerzt zu Mana Rosa meinten wir koennten ihn gerne einladen (falls sein Budget nicht ausreicht), haben wir erfahren, dass er gerade einfach auf Diaet ist und abends nicht mehr viel essen moechte :-)
Samstags haben wir uns mit einer Frau getroffen, die bereits seit ueber sechs Jahren in Timor arbeitet und in Freiburg studiert hat, man konnte ganz nett ueber die Wiehre, das Rieselfeld, etc reden, was, wenn man am anderen Ende der Welt ist, eine besondere Qualitaet hat. Die Dame hat bei der Wahrheitskommision in Timor gearbeitet, diese hat sich sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen in der indonesischen Besatzungszeit befasst. Nun betreut sie eine Maedchenschule, in der verschiedene Kurse zur Berufsorientierung angeboten werden um eine erst berufliche Orientierung zu bieten und ueberhaupt auf das Model “arbeiten” neugierig zu machen und dafuer zu motivieren. Gerade auf dem Land ist die Rolle der Maedels stark auf werdende Mutter, Haushalt, etc. festgelegt und viele Bereiche  in Timor sind stark maennerdominiert, wie zum Beispiel musizieren. In der Schule koennen die Maedels also meist das erste Mal in ihrem Leben verschiedene Dinge ausprobieren, eine  Gitarre in die Hand nehmen,etc.
Ihr timoresischer Mann hat zwei Vereine gegruendet, eine kleine Klinik, die dringend notwendig in der Gegend ist, da die medizinische Versorgung bescheiden ist und eine Schule fuer Bauern, in der zukuenftig die Wartung von landwirtschaftlichen Maschinen thematisiert wird. Dort hat Holger in einer spontanen Aktion einen Computer umgebaut und angeschlossen und damit fuer Begeisterung gesorgt. Beeindruckend zu sehen war wie diese Projekte entstanden sind: In kleinen Schritten mit zum Teil sehr bescheidenen finanziellen Mitteln hat er die Projekte nach und nach aufgebaut. Er selbst hat sechsmal in seinem Leben sein Haus verloren, wahrscheinlich bringt das eine andere Hartnaeckigkeit, Geduld und Gelassenheit mit sich, als ich sie mir vorstellen kann.
Die zweite Organisation, die wir besucht haben, beschaeftigt sich mit IT, gibt, mit Schwerpunkt auf den laendlichen Distrikten,  Computerkurse und verkauft zu bezahlbaren Preisen “green PCs”, d.h. aus Australien importierte, gebrauchte PCs, die vor Ort getestet und mit einem kostenlosen Linux-Betriebssystem augestattet werden .
Den Rest des Tages sind wir durch Baucau gewandert und haben das Staedtchen auf uns wirken lassen. Baucau war einer der Hauptsitze der Portugiesen in der Kolonialzeit, davon sind heute ein paar zerfallene Gebaeude uebrig geblieben, die erahnen lassen, dass dort Portugiesen waren und: Ein saugeiles Schwimmbad! Mit Quellwasser gespeist, das frisch ins Schwimmbecken hineinfliesst, klares, weiches, kaltes Wasser, ein Traum! Neben drei Jungs, hatten wir das Schwimbecken fuer uns. Ein Paradies fuer das Schwimmerherz.
Heim sind wir per LKW/Bus gefahren, auf dem wir sehr freundlich begruesst wurden, haben uns den Wind um die Ohren wehen lassen und die Rueckfahrt genossen. 
Schoene Gruesse an alle! Pia

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