Letztes Wochenende sind wir mit grosser Neugierde nach
Baucau gefahren, unsere erste Exkursion aus Dili heraus. Baucau ist die
zweitgroesste Stadt von Timor-Leste und liegt wie Dili an der Nordküste, 130 Kilometer östlich von Dili. Dort befindet sich eins der von Pia betreuten
Jugendzentren und zwei für mich interessante Projekte.
Der Weg dahin ist in zweierlei Hinsicht atemberaubend. Zum
einen ist die asphaltierte Straße mit so vielen Schlaglöchern übersäht, dass die Frequenz einer Morsenachricht gleicht. Zum anderen fährt man an der
Küste entlang, die wunderschöne Buchten, Mangrovenwälder und
Wasser in azurblau wie aus dem Reiseprospekt bietet. Die Route führt auch durch
verschiedene Höhenzonen, daher durchfährt man Landschaften von niedrigem
Buschland, weitläufigen Reisfeldern und Wäldern aus Palmen, Bananenstauden,
Bambus und vielem anderen, das ich leider nicht einordnen kann. Einige Male
haben wir sehr breite, fast trocken liegende Flussbette überquert. Deren
Dimensionen lassen erahnen, was in der Regenzeit zu erwarten ist. Vielerorts
werden am Straßenrand unter Palmendächern kleine Päckchen mit Süssigkeiten oder
Wasser in versiegelten Bechern verkauft.
Bis auf wenige Ausnahmen sind die Menschen sehr freundlich,
winken oder schauen interessiert. Das überrascht ein wenig, da sich jeder
Fahrer durch Hupen ankündigt und die Menschen davon eigentlich schon genervt
sein sollten. Vielleicht aber auch alles Gewohnheitssache. Ein kleiner Junge
stand an einer sehr sandigen, unasphaltierten Stelle, die zum Langsamfahren
nötigte, und wollte von allen Vorbeifahrenden etwas Geld kassieren. Diejenigen,
die nichts gaben wurden ausgiebig und mit Nachdruck beschimpft. Jugendliche
versuchen oft mit einem „Hey Mister“ im Vorbeigehen oder -fahren etwas
Aufmerksamkeit zu erregen.
Nach etwa dreieinhalb Stunden haben wir Baucau erreicht und
fahren direkt zum youth club. Ich teste kurz das Internet, das
erstaunlicherweise ziemlich fix läuft. Nur die Verbindung zu E-Mail – Providern
läuft über eine Zwischenstation namens opendns, der ich mein Passwort dann doch
nicht anvertrauen möchte. Also keine E-Mails abfragen…
Uns wurde von vielen Seiten angekündigt, dass es außerhalb
von Dili ganz anders sein würde. Ich bin gespannt, was die nächsten beiden Tage
bringen werden. Morgen steht ein Besuch bei Infotimor an, die ein „social
business“ im IT-Bereich aufgebaut haben, d.h. aller erwirtschafteter Gewinn
kommt den Beschäftigten zugute und geht direkt in deren Ausbildung. Außerdem
werde ich eine Dame treffen, die hier in Baucau schon sehr lange Konfliktprävention betreibt.
Soviel von mir, Pia erzählt den zweiten Teil :-)
Holger
Soviel von mir, Pia erzählt den zweiten Teil :-)
Holger
Wenn ihr mal in Timor seid… fahrt nach Baucau! Die Stadt
zieht sich von einem Hang Richtung Meer hinunter; wenn man von oben auf Baucau
schaut, muss man die Stadt suchen, denn ueberall stehen riesige Baeume, Palmen
und Bananenstauden und die Daecher sind kaum zu entdecken. Hier wurde nicht die
Natur der Stadt angepasst, sondern die Stadt hat sich der Natur angepasst. Am
ersten Tag in Baucau hatte ich sowas wie einen “Natur”schock, etwas Vergleichbares habe ich noch nie gesehen. Sehr beeindruckend! Baucau hat eine
merklich andere Atmosphaere als Dili. Waehrend man im dilianischen Alltag eher
wenig Beachtung erhaelt (es gibt einfach
viele malae/Weisse in Dili), wurden wir in Baucau vielfach angegrinst, angewunken,
gefragt wie es uns geht und wo wir hin gehen (in Timor die zwei ueblichsten
Fragen zur Begruessung). Dabei konnten wir gut unsere ersten Brocken Tetum
anwenden.
Freitags haben wir dem Jugendzentrum einen Besuch
abgestattet, das ganze Haus ist gelb angestrichen und bemalt, sieht sehr nett
aus (leider Foto vergessen…). Der Jugendzentrumsleiter ist sehr engagiert und hatte
einige Projektantraege fuer seine Jugendgruppen vorbereitet, von Journalismus
ueber Englischkurs bis hin zu einem Jugendcafe. Zum Abschied haben wir als
Neulinge in Timor zwei Tais geschenkt bekommen (siehe Foto), die werden in
Timor handgewebt. Abends waren wir dann mit Mana Rosa, meiner Kollegin essen;
Rogerio, unser timoresischer Fahrer wollte nicht mitkommen und als wir
bestuerzt zu Mana Rosa meinten wir koennten ihn gerne einladen (falls sein Budget
nicht ausreicht), haben wir erfahren, dass er gerade einfach auf Diaet ist und
abends nicht mehr viel essen moechte :-)
Samstags haben wir uns mit einer Frau getroffen, die bereits
seit ueber sechs Jahren in Timor arbeitet und in Freiburg studiert hat, man
konnte ganz nett ueber die Wiehre, das Rieselfeld, etc reden, was, wenn man am
anderen Ende der Welt ist, eine besondere Qualitaet hat. Die Dame hat bei der Wahrheitskommision
in Timor gearbeitet, diese hat sich sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen in
der indonesischen Besatzungszeit befasst. Nun betreut sie eine Maedchenschule,
in der verschiedene Kurse zur Berufsorientierung angeboten werden um eine erst
berufliche Orientierung zu bieten und ueberhaupt auf das Model “arbeiten”
neugierig zu machen und dafuer zu motivieren. Gerade auf dem Land ist die Rolle
der Maedels stark auf werdende Mutter, Haushalt, etc. festgelegt und viele
Bereiche in Timor sind stark
maennerdominiert, wie zum Beispiel musizieren. In der Schule koennen die
Maedels also meist das erste Mal in ihrem Leben verschiedene Dinge ausprobieren,
eine Gitarre in die Hand nehmen,etc.
Ihr timoresischer Mann hat zwei Vereine gegruendet, eine
kleine Klinik, die dringend notwendig in der Gegend ist, da die medizinische
Versorgung bescheiden ist und eine Schule fuer Bauern, in der zukuenftig die
Wartung von landwirtschaftlichen Maschinen thematisiert wird. Dort hat Holger in
einer spontanen Aktion einen Computer umgebaut und angeschlossen und damit fuer
Begeisterung gesorgt. Beeindruckend zu sehen war wie diese Projekte entstanden
sind: In kleinen Schritten mit zum Teil sehr bescheidenen finanziellen Mitteln
hat er die Projekte nach und nach aufgebaut. Er selbst hat sechsmal in seinem
Leben sein Haus verloren, wahrscheinlich bringt das eine andere Hartnaeckigkeit,
Geduld und Gelassenheit mit sich, als ich sie mir vorstellen kann.
Die zweite Organisation, die wir besucht haben, beschaeftigt
sich mit IT, gibt, mit Schwerpunkt auf den laendlichen Distrikten, Computerkurse und verkauft zu bezahlbaren
Preisen “green PCs”, d.h. aus Australien importierte, gebrauchte PCs, die vor
Ort getestet und mit einem kostenlosen Linux-Betriebssystem augestattet werden .
Den Rest des Tages sind wir durch Baucau gewandert und haben
das Staedtchen auf uns wirken lassen. Baucau war einer der Hauptsitze der Portugiesen in der
Kolonialzeit, davon sind heute ein paar zerfallene Gebaeude uebrig geblieben, die
erahnen lassen, dass dort Portugiesen waren und: Ein saugeiles Schwimmbad! Mit
Quellwasser gespeist, das frisch ins Schwimmbecken hineinfliesst, klares,
weiches, kaltes Wasser, ein Traum! Neben drei Jungs, hatten wir das
Schwimbecken fuer uns. Ein Paradies fuer das Schwimmerherz.
Heim sind wir per LKW/Bus gefahren, auf dem wir sehr
freundlich begruesst wurden, haben uns den Wind um die Ohren wehen lassen und die
Rueckfahrt genossen.
Schoene Gruesse an alle! Pia
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