Bonoiti (=Guten Abend auf Tetun
und Portugiesisch bzw. „Botardi“ (guten Tag) in Deutschland
Nachdem seit Wochen von einigen
Seiten der deutliche Hinweis kam, dass ja SOOO LANGE GAR NICHTS MEHR auf unserem Blog passiert...hier nun endlich der
nächste Eintrag. In den letzten Monaten hatten wir die Ehre Besuch von Holgers
Familie zu bekommen und seine Cousine Birgit hat einen wunderschönen,
beeindruckenden Blog zu Timor-Leste und ihren Eindrücken hier verfasst. Viel
Genuss beim Lesen! Liebe Grüsse, Pia und Holger
TIMOR-LESTE 26.10.2013
„Ihr seid Deutsche? Die sind
verrückt. Einer, so ein Marathon-Mann ist mit mir den Mount Ramelau
hinaufgerannt. Ich war völlig fertig, aber er hat mich angefeuert“, erzählt
Rio, unser Führer auf den höchsten Berg in Timor-Leste. Das Flackern des
Lagerfeuers, an dem wir uns wärmen, lässt sein Gesicht immer wieder orangerot
aufleuchten. Wir lachen, froh darüber, den Aufstieg im Finstern über schmale,
felsige Pfade fast geschafft zu haben. Wir rasten knapp unterhalb des Gipfels
und warten hier auf den Sonnenaufgang, denn der Wind bläst eisig und ganz oben
wird er zu einem kleinen Sturm. Wir lachen und Rio wechselt das Thema. Erzählt,
dass während der Besatzungszeit indonesische Soldaten Menschen am Gipfel vor
die Wahl gestellt haben zu springen oder erschossen zu werden. „Shoot or jump“.
Erzählt, dass die Indonesier die Hirsche hier oben ausgerottet, Menschen,
Tiere, Bäume getötet haben.
Immer wieder begegnen uns in Timor-Leste
Menschen, die von Gräueln berichten, die erst ein paar Jahre zurück liegen. Das
Grauen von Bürgerkrieg, Terrorregime und Widerstandskampf ist allgegenwärtig im
Paradies.
Wir steigen die letzten Meter
hinauf auf den Mount Ramelau, die Sonne färbt die Wolken unter uns rosa, schickt
ihre Strahlen über das Wolkenmeer, lässt die Konturen der benachbarten,
niedrigeren Berggipfel erscheinen und dann sehen wir das Meer auf beiden Seiten
der Insel. Vom 2963 Meter hohen Gipfel aus (die Zugspitze hat 2962m) sind die
Südküste und die Nordküste von Timor-Leste zu erkennen. Die Halbinsel sieht mit
viel Fantasie aus wie ein Krokodil. Kein Wunder, dass der Entstehungsmythos der
Insel mit einem Krokodil zusammenhängt:
Entstehungsmythos
Es war einmal ein kleines
Krokodil, das in einem Tümpel in der Wildnis lebte. Es träumte davon, ein
großes Krokodil zu werden, aber es gab zu wenig Nahrung und so wurde es immer
dünner und schwächer. Das Krokodil zog aus, um Futter zu finden und ging
Richtung Meer. Doch die Sonne schien immer heißer und es war noch weit vom
Strand entfernt. Das kleine Krokodil, das rasch austrocknete und verzweifelt
war, legte sich hin, um zu sterben. Ein kleiner Junge entdeckte das Krokodil,
hatte Mitleid und trug es ans Meer. Das Krokodil erholte sich sofort und sagte
dankbar: „Kleiner Junge, Du hast mein Leben gerettet. Wenn ich Dir irgendwann
helfen kann, rufe mich. Ich werde kommen.“ Einige Jahre später rief der Junge das
Krokodil, das jetzt groß und stark geworden war. „Bruder Krokodil“, sagte er,
ich habe auch einen Traum. Ich möchte die Welt sehen“. „Steig auf meinen
Rücken“, antwortete das Krokodil, „und sag mir, welchen Weg Du nehmen willst“. „Folge der Sonne“, sagte der
Junge. Das Krokodil wandte sich nach Osten und sie durchquerten viele Jahre
lang die Ozeane, bis das Krokodil eines Tages sagte: „Bruder, wir waren lange
unterwegs. Jetzt kommt für mich die Zeit zu sterben. In Erinnerung an Deine
Güte werde ich mich in eine wunderschöne Insel verwandeln, auf der Du und Deine
Nachkommen leben können.“ Und tatsächlich: als das Krokodil starb, wuchs und
wuchs es. Aus seinem gezackten Rücken wurden Berge und aus seinen Schuppen die
Hügel von Timor. Wenn Menschen in Timor-Leste heute im Meer schwimmen, sagen
sie: „Friss mich nicht Krokodil, ich bin Dein Verwandter“. Bis heute verehren
die Timorer das Krokodil und nennen es Großvater.
Timor-Leste, und das auch erst
seit kurzem. In der Hauptstadt Dili natürlich, in der ersten Einkaufsmall des
Landes, dem Timor Plaza, das im Frühjahr 2012 eröffnet wurde. Doch in Dili
verbringen wir nur wenige Tage unseres Urlaubs.
Aeroporto Internacional
Am Dienstag,
20.8.2013 nachmittags haben wir Timor-Leste zum ersten Mal vom Flugzeug
aus gesehen. Die geteilte Insel, deren Westteil zu Indonesien gehört, unweit
der australischen Küste zeigt sich ganz anders als erwartet: Statt giftgrüner
Tropen-Hölle braune Hügel, gepunktet mit einzelnen dunkel-matt-grünen Bäumen
und Sträuchern. Ein paar dunkelgrüne Wälder. Es ist Trockenzeit. Straßen sind
von oben keine zu erkennen, nur einzelne Wege, die sich über die Berge
schlängeln. Städte? Fehlanzeige. Bis wir Dili im Anflug erkennen. Eine kleine
Ansammlung von Häusern, so sieht es von oben aus. Tatsächlich leben hier
200.000 Menschen; ganz Timor-Leste hat rund 1.000.000 Einwohnerinnen und
Einwohner. Unsere Maschine rollt vorbei an fünf leer stehenden Hangars, in
denen bis vor einem halben Jahr die Hubschrauber der UNO-Truppen standen. Die
Truppen sind abgezogen. Timor-Leste gilt als befriedetes Land. „Aeroporto
Internacional“ lesen wir auf einem verblichenen, blauen Schild mit gelber
Schrift unter einem kleinen Blechdach.
Von der Gangway gehen wir übers
Flugfeld auf die Flughafengebäude zu. Da sind nur zwei einstöckige Häuser mit
den typischen spitz nach oben zulaufenden Dächern, die wir später auf den
UmaLuliks sehen werden. Vor zwei Schaltern bilden sich lange Schlangen. Wir
zahlen 100 US-Dollar Einreisegebühr für uns vier, holen unsere Koffer vom viel
zu schnell laufenden, einzigen Gepäckband in der schmuddeligen Halle, drängen
uns durch die Menge der Taxifahrer, die uns ins Zentrum bringen wollenund
draußen erwarten uns strahlend Holger und Pia. Kaum zu glauben. Einmal um die
halbe Welt, um die beiden in die Arme zu nehmen. Unwirklich. Pia ist mit ihrem
Roller kurz zum Flughafen gekommen, um uns zu begrüßen, und düst zurück ins
Büro. Holger hebt unsere Koffer in den Jeep. Ein kleines, dünnes, schmutziges
Mädchen spricht ihn an, will für ein paar Cent die Koffer hineinheben. Holger
sagt ihr freundlich auf Tetum, dass wir das selbst können.
Erste Eindrücke
Die erste Fahrt durch Dili.
Wellblech. So stellen wir uns Slums vor. Verrostetes Wellblech als Dach auf
Hütten, deren Wände aus Palmen- oder Bananenblättern geflochten sind. Wellblech
als Zaun. Auf den zweiten Blick stehen hinter den meisten Zäunen Steinhäuser,
oft aus grauen Steinen gemauert, ohne Anstrich. Auf den dritten Blick ist es
gar nicht so viel Wellblech. Sehr viele Grundstücke liegen hinter hohen Mauern,
viele wieder einfach grau, andere schmuck gestrichen. Die Tore sind aus
rostigen Metallplatten oder filigran geschweißt. Garagenartige Bauten dienen
als Läden für alles Mögliche. Eine Schreinerwerkstatt mit halbfertigen
Kolonialmöbeln. Eine Werkstätte für Roller und Motorräder. Kleidung auf großen
Haufen. Bananen. Überall Stände mit Gemüse und Früchten. Die Kartoffeln sind
sorgfältig aufgestapelt zu kleinen Pyramiden. Eine neben der anderen auf dem
Holzbrett unter dem geflochtenen Palmendach. Salatköpfe sind aufgefädelt zu
dicken Büscheln und hängen von dem Dach.
Die Straße vom Flughafen nach
Bebonuk, dem Stadtteil, in dem Holger und Pia wohnen, ist anfangs zweispurig.
Gelbe Taxis, Jeeps mit verspiegelten Scheiben, knallbunt lackierte, überfüllte
Kleinbusse, die so genannten Mikrolets, Roller, Motorräder wuseln
durcheinander. Holger behält routiniert den Überblick, fährt auf der linken
Seite – sehr ungewohnt für uns. Ein Mann lenkt sein Motorrad mit einem Hahn
unter dem Arm. Wir biegen ab von der Hauptstraße und schon hatder Asphalt
Schlaglöcher, DinA-4-Blatt- kleine und mehrere Quadratmeter große. Die
asphaltierte Straße ist schmal und wenn Holger einem anderen Fahrzeug
ausweicht, wirbelt Staub auf. Vor einem Haus steht ein Mann mit einem
Gartenschlauch und besprengt den Staub mit Wasser. Wir biegen in ein winziges
Gässchen ein und sind endlich da.
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