Wir verlassen Dili mit Pia und
zwei ihrer Kolleginnen in einem Dienstwagen mit Fahrer in Richtung Baucau. Das
ist mit rund 50.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Timor-Leste. Adelina
und die andere Kollegin diskutieren mit dem Fahrer darüber, welche Straße sie
nehmen sollen und entscheiden sich für eine Panorama-Straße, damit wir die
Schönheit ihrer Insel genießen können. Wieder müssen wir von Dili aus hinauf in
die Berge, die die Stadt auf drei Seiten einschließen. Kaum haben wir den
ersten Bergrücken überquert sind wir in einer anderen Welt. Kein Hupen und Lärm
mehr, kein Gewusel, sondern eine einsame, gut asphaltierte, aber schmale Straße
am türkisblauen Meer entlang. Landschaften mit braunen Hügeln, gesprenkelt mit
Bäumen mit weißen Stämmen rechts von uns, die Strände links von uns. Immer wieder
einzelne Häuser. Schweine, Ziegen, graue Rinder mit langen Hörnern laufen frei
herum. Ich sehe die ersten Reisfelder meines Lebens. Fischerdörfer, in denen
Boote am Strand liegen. Menschen, die Holz sammeln.
roten Gewürzen bestreute, auf
Spieße gesteckte, gebratene Fische. Adelina kauft gleich mehrere, weil sie die
so gerne mag und man in Dili angeblich keine so guten und günstigen wie hier
auf dem Dorf bekommt. Hinter der Verkaufstheke stehen wie fast überall an den
Ständen junge Frauen. Dahinter stehen ein paar Tische, an denen andere Reisende
sitzen und essen. Mc Donalds auf Timorisch.
Baucau
Gegen Mittag erreichen wir Baucau,
mit 50.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in TimorLeste. Mit einer Stadt nach
unseren Vorstellungen hat diese Siedlung allerdings nichts zu tun. Weitläufige,
bewaldete, zum Meer hin abfallende Hügel, an denen weit verstreut Häuser
stehen, die nicht über Straßen, sondern über schmale Wege und Trampelpfade zu
erreichen sind. Bei uns besteht eine Stadt aus Straßen, Beton, Häusern,
Geschäften. Baucau ist Natur mit ein paar Häusern.
Im Stadtzentrum gibt’s immerhin
einen Kreisverkehr – natürlich ohne Verkehrsschilder, Wegweiser oder
Fahrbahnkennzeichnungen - , einen Markt mit vielen aneinandergereihten Ständen
und einige Relikte aus portugiesischer Zeit: das Markthallengebäude, das gerade
renoviert wird, erinnert mit zwei Türmen an eine Burg. Aus der Poussada mit
ihrer herrschaftlichen Freitreppe und den zierlichen Säulen in altrosa könnte
mit etwas Fantasie jederzeit eine portugiesische Dame im Reifrock heraustreten.
Heute ist die Poussada ein Hotel. Früher,in portugiesischer Zeit, war es der
Sitz der Kolonialverwaltung von Baucau, später wurde es von der indonesischen
Verwaltung genutzt und um ein Gefängnis erweitert.
Pias Arbeit
Pia und ihre Kolleginnen sind in
Baucau, um im Jugendzentrum einen Workshop zur Gewaltprävention abzuhalten.
Etwa zwanzig junge Leute kommen. Pia zeigt einen etwa fünfminütigen Film mit
FetoFantastiku. Der Film ist ebenfalls
als Teil eines von der Deutschen Zusammenarbeit geförderten Projektes
entstanden. FetoFantastiku ist eine Art Superwomen mit einem Umhang und einem
Krönchen, die in Konfliktsituationen erscheint und Menschen hilft, Konflikte
friedlich zu lösen. (Die Filme sind auch auf Youtube zu finden). In dem heute
gezeigten Spot spielt ein kleines Mädchen vor einem Haus mit einem Feuerzeug.
Ihr Vater kommt aus dem Haus, ist entsetzt, weil das Kind mit Feuer spielt und
holt aus, um sie zu schlagen. Da erscheint FetoFantastiku und sagt: „Halt“. Sie
erklärt den Eltern, dass es schlecht ist für die Entwicklung des Kindes, wenn
es geschlagen wird, dass das Kind wieder zündelt, weil es nicht weiß, warum es
das nicht tun soll. Stattdessen sollen die Eltern dem Kind liebevoll erklären,
was es falsch macht. Dann lernt das Kind mit Gefahren umzugehen; die Beziehung
zwischen Eltern und Kind wird gestärkt. FetoFantastiku verabschiedet sich und
die Szene vom Anfang wird noch einmal gespielt, doch diesmal schlägt der Vater
das Mädchen nicht, sondern spricht mit ihr. „Affig“, findet Leopold den sehr
laienhaft gemachten Film, aber die timorischen Jugendlichen sind begeistert.
FetoFantastikukennen mittlerweile alle, denn die Spots aus dem Jugendprojekt
werden sogar im Fernsehen in Timor-Leste gezeigt. Die junge Frau, die die
Titelfigur spielt, wird auf der Straße
erkannt und angesprochen.
Nach dem Film teilt Adelina Fragebögen aus. Die Jugendlichen sollen einfache Fragen beantworten, beispielsweise warum es gut ist, einem Kind etwas zu erklären und nicht gleich zu schlagen. Die Fragebögen sind eine große Herausforderung. Kaum jemand schafft es, die Inhalte des Films widerzugeben. Der Transfer, wie sie die Botschaft des Films im eigenen Leben umsetzen können, ist völlig unmöglich. Kein Reflexionsvermögen. Ich bin entsetzt. Das müssen bei uns Kinder in der Grundschule können.
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