Samstag, 26. Oktober 2013

Markt & Dare



Markt


Doch wir bleiben nicht lange in Dili. Schon am nächsten Tag, Samstag, 31.August, brechen wir mittags wieder auf. Vormittags zeigen uns Pia und Holger noch den zentralen Markt von Dili. Hier gibt es alles, was man zum Leben braucht. Fleisch auf groben Holztischen. Gemüse wieder dekorativ gestapelt oder aufgefädelt. Betel-Nüsse, die die Frauen kauen. Tabak.  Handys.  Spielzeug. Schuhe. T-Shirts. Die Stände drängen sich aneinander. Der Weg dazwischen ist nicht gepflastert. Immer wieder steht stinkendes Wasser in Pfützen. Eine dürre, kleine Katze säuft die braune Brühe. Ein kleiner Junge lässt sich von seinem großen Bruder auf dem Holzkarren schieben, auf dem sonst die Waren transportiert werden. Ausnahmsweise sind auch ein paar ältere Menschen zu sehen. Frauen in langen, gewickelten Röcken und mit bunten Blusen, die die Ellbogen bedecken, denn es gilt  in der älteren Generation als unschicklich, Knie und Ellbogen zu zeigen. Junge Frauen und Mädchen laufen allerdings wie bei uns in T-Shirt und kurzen Hosen oder Röcken herum. Als Sonnen- und Regenschutz sind Plastikplanen über die Stände gespannt, immer wieder geflickt. Leute leben und schlafen zwischen den Waren in ihren Ständen. So muss ein Markt bei uns im Mittelalter ausgesehen haben.

Dare


Mittags holt uns unser Guide Rio mit einem Fahrer bei Holger und Pia zu Hause ab. Wieder geht es steil hinauf in die Berge, diesmal ins Landesinnere, immer höher hinauf. Wir stoppen noch kurz in Dare, ein Ort oberhalb von Dili, von wo aus man die gesamte Bucht überblicken kann.
Doch für die Schönheit des Blicks haben wir bald keinen Sinn mehr. Dare ist eine Gedenkstätte. In der halboffenen Halle mit dem traumhaften Blick hängen Banner an den Wänden, auf denen die Geschichte Osttimors während des zweiten Weltkriegs und die

immer mehr Regionen Asiens besetzt haben, hat Australien beschlossen, sie in Osttimor aufzuhalten, um den Krieg nicht im eigenen Land führen zu müssen. 300 Soldaten der 22.Kompanie wurden nach Osttimor geschickt. Die Timoresen haben sie unterstützt und jedem Soldaten einen Jungen als Träger und Führer an die Seite gestellt, einen Criado. Ein Film, den man in Dare anschauen kann, beschreibt sehr plastisch, wie sie zusammen gehungert, gelitten, gekämpft haben, wie Vater-Sohn-ähnliche Beziehungen entstanden sind. Als die Japaner immer mehr Kräft nach Osttimor geschickt haben, haben sich die Australier zurückgezogen. Die Japaner haben grausam Rache genommen an den Criados und ihren Familien und Dörfern. Während des zweiten Weltkriegs wurden schätzungsweise zwischen 40.000 und 70.000 Timoresen getötet.
Weiter geht’s mit dem unglaublich flott über Schlaglöcher, Passstraßen und Serpentinen bretternden Fahrer nach Maubisse, dann immer höher und höher, vorbei an runden, schilfgedeckten Häusern und schließlich Steinhäusern. Hier oben ist es viel kälter als an den Küsten. Die Kinder sind eingewickelt in Wolldecken; ihre Füße steckten trotzdem in Flipflops. Sogar Leopold fällt auf, dass die meisten verschnupft sind.
 Die letzten Kilometer zum Dorf unterhalb des Mount Ramelau sind wieder wie ein schlechter Wanderweg, diesmal immer entlang am Abgrund. Gut, dass es fast dunkel ist und wir nicht so genau sehen, wo es lang geht.
Angekommen im Guesthouse, das wie ein leerer Wartesaal aussieht, ziehen wir alle Klamotten übereinandern und frieren trotzdem. Auch hier kann man die Fenster nicht schließen, obwohl wie schätzungsweise in 2.500 Metern Höhe sind. Wir frieren auch nachts unter drei Decken und noch viel mehr morgens um halb vier beim Aufstieg auf den Mount Ramelau. Zuerst sind da gemauerte Stufen, denn kurz vor dem Gipfel gibt es einen Platz für katholische Andachten. Nach den Stufen beleuchten unsere Taschenlampen ausgetretene, schmale Wanderwege. Wir sind den Sternen ganz nah. Die Mondsichel liegt wie eine Schale am Himmel. Weil wir so flott sind, entfachen die Guides unterhalb des Gipfels ein Feuer und wir warten auf den Sonnenaufgang, siehe oben, am Anfang des Textes.

Beim Abstieg vom Dreitausender entdecke ich Blumen, die aussehen wie Edelweiß und Margeriten. Erschöpft und glücklich kommen wir beim Guesthouse an und essen Suppe zum Frühstück. Benedict fischt ein Plastikpäckchen für Würzmischung aus der Suppe. Wir essen sie trotzdem, denn wie immer gibt’s nichts anderes und wir sind alle hungrig. Auf der Rückfahrt hat Pia Bauchweh und fast allen ist schlecht. Trotzdem gibt es auch diesmal wieder faszinierendes zu entdecken: Pferde sind hier die wichtigsten Transportmittel. Uns begegnen viele Menschen, die Ponys führen, die mit Säcken beladen sind oder auf denen auch mal ein Kind sitzen darf, das nicht mehr gehen kann. 


Vor dem Markt in Maubisse sind viele Pferde angebunden. Ein Parkplatz nicht für Autos, sondern für Pferde. So etwas hab ich noch nie gesehen. Wohlbehalten erreichen wir am Abend Dili.
Nach einer Geburtstagsgratulation für Gabi via Skype erleben wir noch etwas Aufregendes. Während des Abendessens beim Inder wackelt plötzlich die Erde. Die Flaschen im Kühlschrank neben uns klappern. Wir können erst nicht so recht einordnen, was passiert. Auf Wikipedia ist über dieses Erdbeben zu lesen: „Das letzte stärkere Beben in der Region am 1. September 2013 hatte sein Epizentrum 318 km von Dili entfernt und eine Stärke von 6,5M. Es kam aber zu keinen Schäden.“ Glück gehabt.
Am Montag, 2.September 2013, müssen Pia und Holger arbeiten und wir gehen mit einem Tauchlehrer schnorcheln unterhalb von Christo Rei. Der Tauchlehrer ist Deutscher, freut sich, mit uns Deutsch reden zu können. Sogar hier, nur ein paar Kilometer vom Stadtzentrum von Dili entfernt, ist das Meer voll bunter Fische und Korallen. Unglaublich. Benedict schnorchelt länger als wir anderen und sieht sogar eine Schildkröte

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen